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06. Juni 2018

Sind Ihre Mitarbeiter reif für agiles Arbeiten: Teil 4

Wie geht Partizipation richtig?

 

Das „agile Unternehmen“, das bedeutet:

  • schnelles Reagieren auf Veränderungen, durch Empowerment und
  • Abgabe von Entscheidungskompetenzen in der Hierarchiepyramide abwärts,
  • das Managen von Komplexität durch Verzicht auf Pläne,
  • klügere Entscheidungen in unsicheren Situationen, durch die Nutzung von Teamintelligenz.
  • Also auch weit mehr Partizipation, als in der heute noch üblichen, klassischen Organisation von Unternehmen.

„Endlich dürfen wir mitreden!“ Was für viele Mitarbeiter richtig verlockend klingt, ist für manche Chefs der blanke Horror. Nur zu gut erinnern sie sich an ihren letzten Versuch, Mitarbeiter um ihre Meinung zu fragen. Weil es letztlich in einer Katastrophe endete: In endlosen Diskussionen, Streit und Frust, ohne einen Schritt weiter gekommen zu sein. Die gute Nachricht: Partizipation ist machbar, wenn die Mitarbeiter reif dafür sind.

 

 

Irgendwann hat der „kluge“ Chef dann die Diskussion abgebrochen und doch lieber schnell selbst entschieden. Das ist natürlich das Gegenteil der „agilen Idee“. Die Folge: enttäuschte Mitarbeiter beschimpften ihren Chef als Diktator, man würde sie nicht wertschätzen, die Partizipation wäre eine Farce. „Wie kam ich bloß auf die Idee, meine Mitarbeiter zu fragen? “Der gut gemeinte, und so wichtige Versuch der Partizipation geht schnell nach hinten los, wenn die Mitarbeiter nicht reif dazu sind. Geht Ihnen das auch so? Die gute Nachricht: es ist machbar, wenn man ein paar grundlegende Ideen berücksichtigt. Außerdem hat Partizipation eine Reihe positiver Auswirkungen, wenn man es richtig macht.

 

Warum Partizipation?

Es ist doch meine Firma, sagt der Unternehmer zurecht, da muss ich doch entscheiden, was mit meinem Eigentum geschieht. Das ist einerseits richtig, andererseits zu kurz gedacht. In hunderten Gesprächen mit Chefs, Teamleitern, Geschäftsführern und Unternehmern kommt eine Beschwerde immer wieder: Meine Mitarbeiter übernehmen keine Verantwortung. Sie achten nicht auf die Kosten, denn es ist ja nicht ihr Geld. Wenn etwas schief läuft, ist es ihnen egal, „das war nicht mein Job“. Und bei guten Ideen machen sie allenfalls halbherzig mit, „es war nicht meine Idee“. Und in all diesen Aussagen steckt auch schon die Lösung: Kluge Unternehmer machen ihre Mitarbeiter zu Mit-Unternehmern. Das muss nicht zwingend über finanzielle Unternehmensanteile geregelt werden (was allerdings nicht verkehrt wäre). Noch wichtiger: machen Sie aus Ihren Veränderungs-Ideen, Ideen Ihrer Mitarbeiter. Machen Sie das Geld zum Geld Ihrer Mitarbeiter. Machen Sie jeden Job, zum Job jedes einzelnen Mitarbeiters. Je mehr die Mitarbeiter mitreden und mitentscheiden, desto mehr empfinden Sie das Unternehmen als IHR Unternehmen. Sie werden begeistert sein, wie sich in der Folge dieser Partizipation das Commitment, die Motivation, das Engagement, die Loyalität und die Mitarbeiterzufriedenheit bessern – ohne einen Gehalts-Euro mehr. Denn Partizipation ist oft mehr wert, als bloßes Geld. Aber Achtung, vielen Chefs fällt es extrem schwer, diese Freiheiten bis in die letzte Konsequenz zu gewähren. Aber ob der Chef wirklich reif für agiles arbeiten ist, ist ein Thema für einen anderen Blog-Artikel.

Wenn Sie nach agilen Methoden arbeiten kennen Sie das alles schon. Denn das Empowerment, die Beteiligung und Einbindung der Mitarbeiter liegt im Kern des agilen Arbeitens. Wir nutzen ja die Intelligenz der Gruppe. Und die Ergebnisse sprechen für sich. Agile Teams arbeiten engagiert und (oft) viel schneller, denn Entscheidungen können ohne lange Wege über Hierarchiestufen hinweg, beinahe ad hoc fallen. Trotzdem kommt einem oft der Prozess bis zur Entscheidungsfindung langwierig und schwierig vor. Und selbst bei geübten agilen Teams ist die Entscheidungsphase unter Umständen mit Risiken behaftet.

 

Aber warum läuft Partizipation dann so oft schief?

Schuld sind ein paar weit verbreitete Missverständnisse über Einbindung und Team-Entscheidungen. Nummer eins ist ein persönliches Missverständnis mancher (nicht aller) Teammitglieder, das im Unbewussten entsteht, und in Frust, Ärger und Zynismus umschlägt, wenn es nicht reflektiert wird. Diese Mitarbeiter glauben (nicht bewusst, sondern implizit) dass, wenn man sie schon zu ihrer Meinung befragt, und sie ihre Meinung (…also die nur allzu offensichtliche Wahrheit, die bisher nur außer ihnen niemand erkannt hat) aussprechen, es denn nun auch endlich so gemacht werden MUSS, wie von Ihnen vorgeschlagen. Wenn nun aber diese Erwartung nicht erfüllt wird (ggf. gab es ja Kollegen, die anderer Meinung waren, die bessere Argumente hatten, oder der Chef hatte für die geniale Idee „die Preise um 50% zu senken“ nicht den „Mut“), dann sind sie massiv enttäuscht. Sie fühlen sich übergangen und nicht gehört, obwohl man doch extra um ihre Meinung gebeten hat. Dann fühlen sie sich „zurecht“ nicht gewertschätzt, gemobbt, empfinden den Chef bestenfalls als Ignoranten, schlimmstenfalls als falsche Schlange. Der Fehler: „Wir“ hatten in diesem Beispiel nicht im Vorfeld klargestellt, wie die Entscheidung fallen wird. Die implizite unbewusste Annahme, wenn man meine Meinung abfragt, wird man sich daran später auch halten, sorgt für enttäuschte Erwartungen, Frust und negative Unterstellungen.

Genau diesen Punkt müssen Sie (immer wieder) im Vorfeld klarstellen. Wir wollen, dass sich alle beteiligen, wir wollen alle Meinungen hören, wir wollen alle Beiträge verstehen, wir wollen uns eine gemeinsame Meinung bilden. Und diese gemeinsame Meinung ist eine andere, als die, die jeder einzelne geäußert hat. Manchmal werden wir auch keine „gemeinsame“ Meinung finden. Wenn man sich nicht einigt, kann man sich auch zwei-igen, wie es die Gehirnexpertin Vera Birkenbiehl ausdrückte. Wir stellen fest, dass wir dazu 2 Meinungen haben. Basta, gar nicht schlimm. Erst dann kommt es zur Entscheidung.

Und die führt uns zu Missverständnis Nummer 2.

Die meisten Menschen sehen als einzig legitimen Entscheidungsprozess für Teams nur eine Möglichkeit: die demokratische Abstimmung. So haben wir das schließlich gelernt und schon 1000-fach in jedem Kaninchenzüchterverein praktiziert. Aber genau das ist falsch. Die demokratische Abstimmung ist NUR EINE mögliche Methode zur Entscheidungsfindung – mit vielen Vor- und Nachteilen. Dazu kommen noch mehr Methoden:

  • die einsame Entscheidung eines legitimierten Vertreters (z.B. Chefs),
  • die Entscheidung eines „einzelnen Entscheiders nach Beratung“ durch das Team (konsultative Entscheidung),
  • der Konsens (alle sind einer Meinung),
  • die demokratische Abstimmung (in verschiedenen Varianten, mit einfacher Mehrheit, 2/3-Mehrheit, Gewichtete Abstimmung z.B. nach Geschäftsanteilen, Mehrpunkt-Abfragen, usw.),
  • das Konsensieren,
  • die Entscheidung durch ein legitimiertes Gremium,
  • die Teamentscheidung angereichert um ein Vetorecht der Geschäftsführung oder anderer Stakeholder.

Also eines ist schon an dieser Stelle deutlich: Es gibt viele Methoden, zu einer Teamentscheidung zu kommen. Alle Methoden haben ihre Vor- und Nachteile. Folglich gibt es unterschiedliche Situationen, bei denen jeweils eine andere Methode die genau richtige ist.

 

Was die agilen Unternehmen bevorzugen – die konsultative Entscheidungsfindung

Das Hauptaugenmerk bei der Agilität liegt auf der schnellen Reaktion. Diese Schnelligkeit erreichen Sie dadurch, dass jeder Mitarbeiter weitreichende Entscheidungsbefugnisse hat (Empowerment). Letztlich soll derjenige entscheiden, der am nächsten am Problem ist. Manager sind zu oft zu weit entfernt, ihnen fehlen wichtige Informationen, die der Mitarbeiter am Band jede Minute vor der eigenen Nase hat.

Ein Beispiel für den Geschwindigkeitsvorteil: der Bediener einer Maschine entdeckt einen Fehler im Produkt. Er stoppt die Maschine, ggf. die ganze Produktionslinie. Er prüft fertige Teile und sortiert fehlerhafte sofort aus. Dann nimmt er einen Firmenwagen, fährt sofort zum 600 km entfernten Kunden und prüft auch dort auf den Fehler. Am nächsten Tag ist alles wieder im Lot, Kunde zufrieden. Überlegen Sie mal, wie lange diese Vorgehensweise gedauert hätte, wenn der Mitarbeiter erst seinen Vorgesetzten fragen müsste, ob man die Produktionslinie stoppen könnte. Der müsste seinen Chef fragen. Der Produktionsleiter beruft ein Meeting ein, doch es müssen erst alle Manager Zeit haben. Jemand muss einen Bericht erstatten, eine Präsentation erstellen (und diese mit seinen Chefs abstimmen. Es darf schließlich nicht nach einem Fehler des Managers aussehen). Manche Entscheider haben nun detaillierte Fragen. Man versucht weitere Informationen einzuholen um Konsequenzen abzuschätzen und wartet erneut auf Berichte aus der Werkshalle, vom Vertrieb, vom Key-Account-Manager, vom Rechnungswesen. Die Fahrt zum Kunden muss erst mit Formularen beantragt und von einem Vorgesetzten abgesegnet werden. Eine berechtigte Assistentin muss über das akkreditierte Reisebüro eine Dienstreise, in dem für dien Dienstgrad des reisenden Mitarbeiters angemessenen Verkehrsmittel zusammenstellen. Beim Kunden muss der Mitarbeiter eine Bestandsaufnahme machen, nach Hause reisen, Bericht erstatten. Ein Gremium entscheidet wie man mit dem Problem umgeht. Es vergehen Wochen, bis das vom Tisch ist. Empowerment macht diesen Prozess viel schneller.

Oben hatte ich kurz erwähnt, dem Manager fehlen vielleicht Informationen, weil er nicht nah genug am Problem ist. Aber der Manager würde uns antworten: Wie ist denn sichergestellt, dass der empowerte Mitarbeiter immer die richtige Entscheidung trifft? Das nötig fachliche Knowhow dafür in Erwägung zieht? Die Tragweite richtig einschätzt? Nicht gegen Interessen anderer Kollegen und Abteilungen verstößt? Wenn andere Abteilungen unberücksichtigt blieben, ginge dann nicht deren Partizipation verloren?

Auch das lässt sich regeln. Frederic Laloux beschreibt in seinem Buch Reinventing Organizations zahlreiche Unternehmen, die ihre sämtlichen Chefs abgeschafft haben, die auf Ziele und Pläne verzichten, die ohne Kontrolle und Bürokratie auskommen, die ihre Mitarbeiter ALLES ohne Chefs entscheiden lassen. Jeder darf alles entscheiden: aber eben nicht ganz allein! Das Zauberwort heißt hier konsultative Entscheidung. Der Mitarbeiter darf ohne Manager weitgehende Entscheidungen treffen. Wichtige Regel 1: Er muss aber sicherstellen, dass er sich vorher von jedem betroffenen Kollegen/Abteilung und von den Experten auf diesem Gebiet hat beraten lassen. Das geht spontan, unter 4-Augen, oder es werden notfalls Adhoc-Meetings einberufen. Wichtige Regel 2: Der Entscheider ist jedoch letztlich mit seiner Entscheidung nicht an den Inhalt der Beratung gebunden.

In extrem partizipativen Unternehmen mit hochgradiger Selbstorganisation und extremer Entscheidungsbefugnis beim Mitarbeiter ist die Nicht-Einhaltung dieses konsultativen Entscheidungsprozesses einer der wenigen Gründe, für die man gekündigt werden kann.

Brian Robertson, der Autor von Holacracie vertieft diesen Prozess noch mit einer Reihe von Regeln, welche Arten von Einwänden berechtigt sind und welche nicht. Was die Arbeit des betroffene Kollegen tatsächlich beeinträchtigt, führt direkt zu einer Überarbeitung des vorgetragen Entscheidungs-Entwurfs (Integrative Entscheidungsfindung). Äußert ein Betroffener nur das typische „das gefällt mir aber nicht“, ist auch das willkommen, aber die Entscheidung beeinflusst das nicht.

Letztlich geht diese Art der konsultativen Entscheidung zurück auf eine Tragende Säule des Toyota Production System (TPS), in Westeuropa besser bekannt als „Lean Management“. Also das Erfolgsrezept, das Toyota in nur 30 Jahren vom Mini-Autohersteller zum effizienten Weltmarktführer gemacht hat. Alle namhaften Industrieunternehmen der Welt haben irgendwann begonnen, Teile des TPS zu kopieren, besonders diejenigen, die offensichtlich die Effizienz steigern. Aber das Prinzip „Nemawashi“ haben viele dabei offenbar bewusst oder unbewusst übersehen: Es bedeutet „Treffe Entscheidungen mit Bedacht“. Anstatt der Bestätigung einer Entscheidung von oben oder durch ein Gremium, erwartet man von Managern, dass sie sich für Ihre Entscheidungen Stellungnahmen von hunderten betroffener Stellen einholen. Oft wird hier missverstanden, es ginge Toyota damit um die langatmige Erzielung eines Konsens (siehe unten). Tatsächlich stellt Toyota hier aber die Frage: „Hast du mit allen Betroffenen gesprochen, und sind diejenigen mit deiner Lösung einverstanden? Hast du wirklich alles bedacht und löst du wirklich das eigentliche Problem?“ Für diesen Erkenntnisprozess sind möglichst viele Meinungen notwendig. Und nicht nur das Hören dieser Meinungen! Sondern insbesondere das Verstehen der Bedenken! Toyota hat die Erfahrung gemacht, dass nach diesem (langwierigen) Prozess, die Entscheidungen qualitativ besser getroffen werden und die Umsetzung umso schneller und mit breiter Unterstützung erfolgen kann. Entpuppt sich eine Entscheidung später als Fehlentscheidung ist die kritischste Frage, die sich ein Entscheider gefallen lassen muss, danach, ob er auch ausreichend Rat eingeholt hat.

 

Die Profi-Methode: Konsensieren:

Die unbekannteste Methode – das Konsensieren - will ich hier noch kurz vorstellen, bevor wir die Eignung der verschiedenen Varianten vergleichen.

Beim Konsensieren macht man im Prinzip das Gegenteil zur demokratischen Abstimmung: Während die demokratische Abstimmung nach der Zustimmung für eine Alternative fragt „Wer ist für Alternative A?“, zählt das Konsensieren die Ablehnung einer Alternative: „Wer lehnt Alternative B ab?“. Der Vorteil wird erst an einem einfachen Beispiel deutlich. 4 Teammitglieder sollen über das Sommerfest entscheiden. Die Alternativen: romantisches Grillen am See, Klettergarten, Familienfest mit Hüpfburg am Firmensitz und Floßfahrt mit Musik stehen zur Diskussion. Die demokratische Abstimmung würde ergeben: 2 sind für den Klettergarten, die Freunde von Grillen und Floßfahrt werden überstimmt, fertig. Dagegen fragt das Konsensieren nach dem Ausmaß der Ablehnung: Hier werden nun aber 2 gezählt, die Klettergarten keinesfalls mitmachen würden (z.B. Höhenangst), einer will nicht aufs Wasser, aber beim Grillen am See gibt es keine Ablehnung. In diesem Beispiel würde die demokratische Abstimmung 2 Verlierer erzeugen, während mit der Entscheidung nach dem Konsensieren alle zumindest gut leben können. Alle sind zufrieden, das Commitment wäre deutlich höher. In einer erweiterten Version kann man auch den Grad der Ablehnung zählen, jeder kann 1-5 Punkte je nach Ausmaß seiner Ablehnung geben. Dann schlägt sich die Höhenangst deutlicher nieder, als die „nassen Füße“ bei einer Floßfahrt. In der „agilsten“ Variante des Konsensierens werden die „Ablehner“ darum gebeten, die Gründe ihrer Ablehnung zu äußern. So trägt das Instrument nicht nur zu noch mehr Verständnis bei denen mit anderer Meinung bei, es deckt vielleicht sogar gravierende Nachteile einer Variante auf, die sonst unausgesprochen geblieben wären. Während die meisten anderen Entscheidungswege scharf getrennt nach der Meinungsbildung stattfinden, kann Konsensieren den Meinungsbildungsprozess noch einmal anreichern.

 

Welche Methode ist die beste?

Schon diese Frage füttert das nächste Missverständnis – es gäbe eine „beste Methode“. Auch das ist so nicht wahr. Alle Methoden haben ihre Vor- und Nachteile. Eine geübte agile Truppe oder ein erfahrener Moderator wird das Fingerspitzengefühl haben, weise auszuwählen, welche Methode wann passt. Alle anderen schauen bitte in diese Gegenüberstellung der vor- und Nachteile:

 

Legitimierte Person (Chef) entscheidet allein

Vorteil:

  • Extrem schnell, da ohne Diskussion.

Nachteil:

  • erzeugt ggf. das geringste Commitment.
  • Ohne Erläuterung wird nicht klar, auf welcher Basis diese Entscheidung gefällt wurde, welche Information berücksichtigt wurde.
  • Wenig Motivation, die Mitarbeiter darunter übernehmen keine Verantwortung

Voraussetzung:

  • Der Entscheider verfügt über ausreichend Informationen eine solche Entscheidung zu treffen.
  • Der Entscheider ist legitimiert, hat ein Mandat. Er hat ggf. das größte berechtigte Eigeninteresse (es geht um das persönliche Vermögen des Unternehmers)
  • Der Entscheider ist kompetent genug (Selbsteinschätzung täuscht oft)
  • Der Entscheider besitzt Autorität

Wann zu empfehlen:

  • Der wichtigste Grund für so eine „Captains Decision“ sind absolute Notfälle, die eine schnelle Entscheidung mit hoher Autorität erfordern und aus Zeitgründen keinerlei Diskussion mehr erlauben.

 

Legitimierte Person entscheidet nach Beratung (Konsultative Entscheidung)

Vorteil:

  • Die Beratung des Teams sorgt dafür, dass die wichtigsten Informationen berücksichtigt werden.
  • Danach geht’s dann schnell, ohne weitere Diskussion.
  • Alle haben das Gefühl, sie wurden gehört.

Nachteil:

  • Wer nicht entscheidet, übernimmt auch keine Verantwortung. Insofern fühlen sich ggf. manche Teammitglieder frei von Verantwortung.
  • Ggf. fehlt echtes Commitment und Verantwortungsgefühl bei dem der "nur" berät
  • Ggf. Enttäuschung bei manchen

Voraussetzung:

  • Der Entscheider ist legitimiert, hat ein Mandat. Die Problemlösung gehört zu seiner Rolle.
  • Der Gruppe wurde vorher mitgeteilt, dass die Entscheidung auf diese Weise getroffen werden wird. Nur dann vermeidet man enttäuschte Erwartungen, bei Mitarbeitern, die glaubten, nach der Diskussion würde eine Abstimmung folgen.
  • Der Entscheider hat dafür gesorgt, dass er wirklich jeden, der etwas dazu zu sagen hat, gehört und verstanden hat.

Wann zu empfehlen:

Es gibt 3 typische Situationen für „Entscheidung nach Beratung“

  • Bei hohem Maß an Empowerment und/oder Selbstorganisation oder bei Holakratie, wenn der Inhaber der „Rolle“ die Entscheidung zu fällen hat.
  • Deutlich hierarchisch organisierte Unternehmen, bei denen die Chef-Entscheidung immer noch der übliche Weg sind. Dieser Chef aber aufgrund der genannten Vorteile Partizipation leben und von Beratung profitieren möchte.
  • Bei Teamentscheidungen unter Zeitdruck kann diese Entscheidungs-Methode der bewusste letzte Ausweg aus vorangegangenen Entscheidungsverfahren sein, die unentschiedenen ausgegangen sind. Es wird zu Beginn festgelegt: „Wir brauchen eine Entscheidung bis 10:00 Uhr. Wenn wir bis 9:30 keinen Konsens gefunden haben, schreiben wir nochmal alle Pros und Cons ans Flipchart und dann entscheidet Klaus für uns alle. Wir sind uns einig, dass das dann für uns alle bindend ist.“

 

Konsens

Vorteil:

  • Erzeugt das größte Maß an Commitment aller Teammitglieder.

Nachteil:

  • Dauert unter Umständen extrem lange oder ist unmöglich. Siehe EU, wo oft Einstimmigkeit gefordert ist. Gefahr von Patt und Handlungsunfähigkeit.
  • Umfangreiche, oft schwierige Diskussion notwendig.
  • Gefahr des Vorliegens von Groupthink. Wenn alle gleich denken, ist dann wirklich das Problem in seiner ganzen Komplexität beleuchtet?

Voraussetzung:

  • Absoluter Wille zum Konsens (z.B. weil die Entscheidung jeden persönlich stark betrifft)
  • Hohe Bereitschaft zu Dialog, Einigung und ggf. zu Kompromissen bei allen vorhanden

Wann zu empfehlen:

  • Immer dann, wenn jeder im Team mit schwerwiegenden persönlichen Konsequenzen betroffen ist (z.B. Urlaubsplan, Gehaltsverzicht, finanzielle Beteiligung an Vorhaben o.ä.).
  • Ggf. wenn ein Konsens offenbar schnell und leicht zu erreichen ist.

 

Die Demokratische Abstimmung

Vorteil:

  • Sehr schnell
  • Breite Akzeptanz dieser Methode

Nachteil:

  • erzeugt ggf. viele Verlierer. Die müssen das Ergebnis zu ihrem Nachteil schlucken.
  • Gefahr von voreiligen Entscheidungen, wenn vorher zu wenig Dialog/Diskussion/Meinungsbildung betrieben wurde.

Voraussetzung:

  • Die Gruppe ist legitimiert die Entscheidung zu treffen.
  • Bereitschaft aller, im Falle der Niederlage die Entscheidung mitzutragen.
  • Ausreichende Meinungsbildung
  • Es muss fair bleiben (Die Mehrheit darf nicht beschließen, die Minderheit zu deren Nachteil auszunutzen)

Wann zu empfehlen:

  • Immer dann, wenn ausreichend diskutiert wurde, eine demokratische Entscheidung von allen akzeptiert würde,
  • Wenn es schnell gehen soll,
  • und das Unterliegen einer Teilgruppe keine unzumutbaren Nachteile dieser Minderheit zur Folge hätte.
  • Wenn es Minderheiten oder andere berechtigte Interessen (Geld des Unternehmers) gibt, sollte über ein Vetorecht nachgedacht werden.

 

Konsensieren

Vorteil:

  • Berücksichtigung der Nachteile der Alternativen
  • Minimiert die Ablehnung der Entscheidung

Nachteil:

  • Ggf. Umständlicher, erklärungsbedürftig

Voraussetzung:

  • Bereitschaft der Teilnehmer, ihre Ablehnung zu äußern

Wann zu empfehlen:

  • Wenn man ein genaueres Meinungsbild als bei einer Abstimmung bekommen möchte.
  • Wenn man Ablehnung minieren will und viel Commitment braucht
  • Wenn man Bedenken und Probleme noch sichtbar machen will

 

 

Grenzen der Partizipation

Wie oben schon erwähnt, verspricht das Mitentscheiden paradiesische Zustände. Das haben "wir Mitarbeiter" uns immer schon gewünscht. Und jetzt kanns also richtig losgehen:

  • Ich will, dass wir Produkt A einstellen, das macht nur Ärger
  • Ich will im Pausenraum einen Tischkicker aufstellen, das motiviert alle Kollegen
  • Wir müssen die Preise erhöhen, dann können wir mehr Leute einstellen
  • Wir müssen die Preise senken, so können wir bei der Konkurrenz nicht mithalten.
  • 24 Urlaubstage sind nicht fair, bei XY gegenüber bekommen die Mitarbeiter 30 Tage

Zu allem möglichen haben die Mitarbeiter eine Meinung. Und oft findet sich ein hochbezahlter Manager, der – wohlüberlegt – ganz anders entscheidet. Wenn man sich die Mühe macht, diese Managemententscheidung mit den Mitarbeitern zu diskutieren und zu begründen, bekommt man sogar oft deren Einsicht. Sie hatten einfach nicht die Information, dass der Wettbewerber so billig anbieten kann, weil er in Pakistan fertigen lässt: „Nein, meinen Job verlieren wollte ich natürlich nicht.“

Eines gehört zum Mitreden und mitentscheiden also unbedingt dazu: Mitarbeiter brauche einen angemessenen Informationsstand um wohlüberlegt mit-entscheiden zu können. Je mehr ich also Entscheidungs-Macht an Mitarbeiter übertrage (Empowerment), oder an Teams delegiere, desto mehr muss ich die relevanten Informationen offenlegen.

  • „Ich brauche Produkt A als Ankerprodukt für größere Serviceaufträge, die unsere Serviceabteilung auslastet.“
  • „Wir können im Pausenraum keinen Kicker aufstellen, weil eine Verordnung ausreichend Sitzplätze für unsere Mitarbeiterzahl vorschreibt“
  • „Eine Preiserhöhung hat sich in meinem Markttest als nicht durchsetzbar erwiesen“

Maximale Transparenz ist eine Grundvoraussetzung für gute Entscheidungen. Viele Unternehmen tun sich aber extrem schwer, bestimmte Daten offenzulegen. „Das ist geheim!!!Der unbewusste Glaubenssatz dahinter: "Meine Mitarbeiter können keine vernünftigen Entscheidungen treffen". Meine Mitarbeiter können nicht mit sensiblen Informationen umgehen. Meine Mitarbeiter würden eher egoistisch, aber nicht wirtschaftlich entscheiden.

Andere Unternehmer haben sich in aller Konsequenz dafür entschieden, die Mitarbeiter zu Mitunternehmern zu machen. Sie unterstellen die Vernunft und Reife ihrer Mitarbeiter. Also versorgen sie sie mit allen Daten: Umsatz, Gewinn, Deckungsbeiträge, Wettbewerbszahlen, Bereichsergebnisse, Benchmarks, Teamperformance, usw. Manchmal werden selbst alle Löhne und Gehälter offen gelegt. Sollen doch die Mitarbeiter des Teams entscheiden, ob Franziska so viel zum Team beiträgt, dass sich 30% Mehrgehalt rechtfertigen. Ohne vollständige Information, keine guten Entscheidungen.

Der agile Glaubenssatz: "Wenn Mitarbeiter entscheiden dürfen, werden Sie schon verantwortungsbewusst entscheiden wollen." Menschen wollen das richtige tun. Es ist in einer komplexen Welt eben nur nicht so einfach, die richtige Entscheidung zu finden. Das menschliche Gehirn ist nicht für komplexe Probleme gemacht. Denkprozesse erfordern viel Energie, also neigt unsere Denkorganisation zum Vereinfachen und zu vorschnellen Entscheidungen aufgrund von Kriterien, die uns im ersten unreflektierten Moment als am wichtigsten erscheinen. Deshalb geht es in diesem Artikel auch weniger um das Empowerment des einzelnen Mitarbeiters. Unser Mittel zur Handhabung der Komplexität ist die Diskussion. Das, wovor die meiste Chefs so viel Angst haben, weil es lange dauert, sich oft verzettelt, und anstrengend ist, das ist unser wichtigstes Instrument zur Meinungsbildung. Erst die unterschiedlichsten Meinungen und Perspektiven tragen soviel Durchblick zusammen, dass es möglich wird, eine fundierte Entscheidung zu treffen. Genau das müssen wir schaffen.

Regel: „Wenn zwei in einem Raum einer Meinung sind, ist einer überflüssig.“

Dieser Satz erspart Ihnen auch alle Diskussionen darum, wer „Recht hat“.

Mit den letzten Absätzen halten wir sogar gerade den Grund für das nur mittelmäßig befriedigende Funktionieren unserer Demokratie in der Hand. Es mangelt unseren Entscheidern an gesunder politischer Willensbildung durch Diskussion. Viele politische Entscheider bei uns informieren sich gar nicht, sie entscheiden lieber aufgrund irgendwelcher vorgefassten, falschen oder vereinfachenden Kriterien. Diejenigen, die sich informieren wollen, verlassen sich leider allzu oft auf ein Zerrbild der Realität, dass ihnen die Medien, der sensationsorientierte Journalismus, ihre Partei-Ideologie, oder der Lobbyist ihres Vertrauens vorgeben. Beim Journalismus stimmt leider oft die Gewichtung der Nachrichten mit deren tatsächlicher Bedeutung nicht überein.

Und schließlich diskutieren unsere politischen Organe, wie z.B. der Bundestag, gar nicht so, wie es zur Meinungs- und Willensbildung notwendig wäre. Der Bundestag führt ein Schauspiel auf, aus Showpositionen, die man aufeinanderprallen lässt, um sich beim Wähler zu positionieren. Zuhören, Verstehen, bedächtig entscheiden – Fehlanzeige. Einen eigenen Willen dürfen Abgeordnete beim Fraktionszwang ohnehin nicht haben. Also genau so soll es nicht laufen. Sorry, ich komme vom Thema ab. Obwohl, nein, gerade das unbewegliche Aufeinanderprallen-lassen von Positionen findet sich auch in Top-Management-Etagen wieder. Agil ist das nicht!

 

Fazit:

  • Agiles Arbeiten braucht Partizipation. Die Vorteile der Partizipation:
  • Partizipation macht aus Mitarbeitern Mitunternehmer
  • Partizipation verbessert die Qualität von Entscheidungen durch umfangreichen Input.
  • Klären Sie im Vorfeld darüber auf, nach welcher Methode die Entscheidung gefällt werden wird. Wählen Sie die passende Methode weise.
  • Erklären Sie den beteiligten Mitarbeitern, dass sie zwar gehört werden sollen, sie aber kein Recht darauf haben, dass die Entscheidung am Ende allein nach ihrer Meinung gefällt wird.
  • Sorgen Sie für Entscheidungsfindung mit Gruppenintelligenz und Bedacht. Machen Sie alle Argumente und Bedenken sichtbar.
  • Versorgen Sie alle Mit-Entscheider mit allen notwendigen Informationen.
  • Erklären Sie am Ende das Zustandekommen der Entscheidung.

Für bestmögliche, agile Entscheidungen in einer VUKA-Welt (Volatil, unsicher, komplex, Ambigutät) brauchen wir eine offene Diskussion, neugierige Mit-Entscheider, gut recherchierte Fakten, möglichst ohne Geheimnisse, gutes Zuhören und Verstehen und den Willen zu einer hinreichend bedachten Entscheidung. Aber auch die Erkenntnis, dass wir nie alle Fakten kennen werden, und immer unter gewisser Unsicherheit entscheiden müssen. Dann könnte es funktionieren.

 

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Weitere Artikel über agiles Arbeiten:

Sind Ihre Mitarbeiter reif für agiles arbeiten - Teil 1 (Kommunikation und Teamfähigkeit)

Sind Ihre Mitarbeiter reif für agiles arbeiten - Teil 2 (Moderationsfähigkeiten, verlangsamen der Diskussion)

Sind Ihre Mitarbeiter reif für agiles arbeiten - Teil 3 (Kritikfähigkeit)

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