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11. November 2013

Der Wert von Bedenkenträgern

Wer sich engagiert, sich für etwas einsetzt, für etwas steht, macht sich nicht nur Freunde. Schnell hagelt es auch Kritik von einem Bedenkenträger. Einem jener abstoßenden Subjekte, über die wir so gerne herziehen, weil sie immer auf der Bremse stehen. Beschimpfen wir sie zu Recht, oder haben die Bremser vielleicht doch einen Wert?

 

Der Wert von Bedenkenträgern 

Wer sich engagiert, sich für etwas einsetzt, für etwas steht, macht sich nicht nur Freunde. Schnell hagelt es auch Kritik. Gegenwind, der richtig nervt. Denn oft kommt er vom Spielfeldrand, vom Zuschauer, von einem, der selber nichts bewegt. Ein Bedenkenträger. Eines jener abstoßenden Subjekte, über die wir hier in Deutschland so gerne herziehen, weil sie mit billigen Floskeln immer auf der Bremse stehen. Und die haben gar nicht das Recht dazu! Beschimpfen wir sie zu Recht, oder haben die Bremser vielleicht doch einen Wert?

Kürzlich las ich mal wieder in einem meinen Lieblings-Business-Newsletter von Förster und Kreuz. In einem Text ging es um eben diese Kritik. Die Macher wollen etwas bewegen, die Zaungäste meckern. Meine Lieblingsautoren zieren das Ganze mit einem starken Zitat von Theodore Roosevelt: „Nicht der Kritiker zählt, nicht derjenige, der darauf hinweist, wie ein starker Mann strauchelt oder wo ein tätiger Mensch etwas hätte besser machen können. Das Ansehen gebührt dem Menschen, der sich tatsächlich in der Arena befindet, dessen Gesicht mit Staub, Schweiß und Blut verschmiert ist und der mutig kämpft und dabei irrt...“

Bedenkenträger steinigen?

„Jaaaa“, rufen die Kommentare bei Facebook. Lasst uns die Bedenkenträger steinigen. Schicken wir sie dahin, wo diese Untermenschen hingehören, in die Hölle. Aber haaalt, bitte nicht. Ich will sie behalten!

Jetzt mal ehrlich, wenn man diesen Text und dessen Tenor mal ganz kritisch beäugt, ist das nicht pure Polemik? Das schimpfen über Bedenkenträger hat in der deutschen Wirtschaft schon beinahe Tradition. Vielleicht weil wir so viele davon haben. Aber nur, weil uns immer mal wieder die Macher fehlen, die wir bräuchten, um aus der Krise zu kommen, heißt das doch noch nicht, dass aus reinem Populismus Wahrheit wird.

Wer Recht hat, und wer nicht...

Erstens: Nur weil ein Macher mit ungebremstem Enthusiasmus etwas bewegen will, hat er noch nicht zwangsläufig uneingeschränkt Recht. Ich finde Macher klasse! Wir brauchen Leute die Dinge anschieben. Wir brauchen Unternehmer statt Unterlasser. Auf jeden Fall. Aber jede Medaille hat zwei Seiten. Die große Schwäche der Proaktiven, der Anschieber, der Schaffer, ist oft eine gewisse unüberlegte Übereiltheit oder kurz Aktionismus. Erst tun, dann nachdenken. Erst schießen, dann zielen. Das ist nicht immer so, aber oft! Und das ist auch kein Vorwurf. Das ist ein Naturgesetz. Jede Stärke wird im Extremfall zu einer Schwäche.

Zweitens: nur weil jemand ein passiver Zaungast ist, hat er noch lange nicht auf ganzer Linie unrecht. Eigentlich ist eine gute Regel in der Teamkommunikation: Niemand hat zu 100% unrecht. Ein Beispiel aus dem Tanzsport: Die Sportler trainieren hart. Sie vergießen Schweiß, Blut und Tränen auf dem Weg zur Meisterschaft. Oft kommen nach dem Turnier Zuschauer zu den Paaren. Sie überschütten Sie mit Lob, aber gerne auch mit einer Prise Kritik, z.B. „Bei all den schnellen Bewegungen fehlt mir zwischendrin mal etwas Ruhe.“ Nun ist der Zuschauer eben nicht aktiv, kein Macher, er hat selbst keinen einzigen Schritt trainiert, keine Schweißperle vergossen. Schlimmer noch: er ist ein Laie, ohne jegliche fachliche Kompetenz. Es wäre ein leichtes, dessen Kritik einfach in den Wind zu schlagen. Hat er überhaupt das Recht zu kritisieren. Viele denken „Nein“. Ich sage ganz bestimmt „ja“. Jeder Mensch hat einen anderen Informationsstand. Wirklich Jeder! Ein anderer Informationsstand sorgt für andere Perspektiven, andere Wahrnehmungsfilter, andere Interpretationen. Was vom Anderen wie eine unverschämte Kritik rüberkommt, ist für mich tatsächlich ein Gewinn. Denn ich bekomme Information, die mir vorher nicht zugänglich war. Und das ist ebenfalls ein Naturgesetz, nämlich das über Feedback. Gewinner wollen Feedback. Sie wissen jedes Feedback zu schätzen. Auch wenn es von einem Bedenkenträger kommt.

Oder war in dem Zitat vielleicht der abschätzige Theaterkritiker gemeint, der aber vielleicht nicht einmal ein Märchen vorlesen könnte. Man weiß es nicht. Doch ich bin mir sicher auch diese Kritiker haben einen Nutzen. Sorgen sie nicht dafür, dass sich Schauspieler mit allzu großem Ego doch gelegentlich mal anstrengen, in ihrer Kunst noch etwas besser zu werden? Würden Sie das ohne diese Kritik tun?

 

Wie Vorurteile Schaden anrichten

Drittens: Die, die keine Macher sind, sind nicht automatisch untätig. Auch das ist nur eine populistische Verallgemeinerung eines Vorurteils. Das Gegenteil der proaktiven Macher ist der reaktive …Mitmacher, Nachmacher, Nachzügler oder Denker. Und nichts davon ist hier abfällig gemeint. Der faule, missgünstige Zaungast ist ein Mythos. Tatsächlich sind manche Menschen vorsichtiger, als ihre proaktiven Kollegen. Sie denken länger nach, sie suchen nach allem was schiefgehen kann, sie warten auf den richtigen Zeitpunkt. Aber auch sie wollen weiterkommen, auch sie engagieren sich. Indem Sie Fehler finden und die Aktionisten vor großen Katastrophen bewahren. Auch solche Menschen braucht jedes gute Team. Die sicherheitsorientierten Zauderer bremsen ja aus gutem Grund. Sie geben dem Team das Gleichgewicht zurück. Teammitglieder tun gut daran, jedes Teammitglied als Macheroder als Sicherheitsorientierten zu erkennen, und entsprechend einzusetzen. Der Macher wird bessere Arbeit abliefern, wenn er mehr und bewusster auf die Bedenkenträger hört. Die Zauderer werden mehr ernten, wenn sie ihre Macher gelegentlich machen lassen. Wie oft hört man Geschichten, dass ein Arzt im Krankenhaus das falsche Bein amputiert hat? War s vielleicht ein proaktiver Macher? Hätten Sie bei Ihrer OP nicht gerne auch einen Zauderer dabei?

Viertens: Der o.g. Artikel stellt die Macher als bessere Menschen dar. Ihnen gebühre die ganze Anerkennung. Die „Am-Rand-Steher“ seien nichts wert. Spätestens hier gehen bei einem Kommunikationstrainer und Leadership-Coach alle Alarmglocken an. Da wo Zusammenarbeit, Teamkommunikation oder Führung funktionieren soll, brauchen wir gegenseitigen Respekt. Niemand hat das Recht, sich für etwas besseres zu halten, oder sich sogar so zu benehmen. In einer Spitzenmannschaft im Sport gibt es dafür die rote Karte vom Trainer. Man fliegt aus dem Team wie einst Ballack. Denn fehlender Respekt ist der Tod Ihres Teams.

Das Schlimme ist, dass Leser solcher Artikel von Wirtschaftsgurus a la Förster & Kreuz das glauben, was die da schreiben. Und schon walzen proaktive Chefs verbal über die Bedenken ihrer ach so passiven Mitarbeiter hinweg und fühlen sich im Recht. Dabei richten sie dadurch Millionenschäden an. Durch überhörte, aber durchaus gerechtfertigte Bedenken, durch zerstörte Beziehungen zu den nun gedemütigten Mitarbeitern, durch ersticktes Engagement und zukünftig ausbleibendes Mitdenken. Wenn Mitarbeiter bis dahin vielleicht noch nicht passiv, sondern nur vorsichtig waren…spätestens jetzt sind sie es. Glückwunsch!

Fazit:

Ja, wir brauchen die Macher. Sie sind wertvoll für unsere Wirtschaft. Aber Menschen sind verschieden. Nicht jeder kann ein Macher sein. Wir brauchen auch die Denker, die Redner, die Kritiker, die Vorsichtigen. Wir brauchen nicht nur den Vertrieb, wir brauchen auch das Rechnungswesen, die Kontrolleure, die Qualitätsbeauftragten und die Revision. Niemand sollte dabei auf die Anderen herabschauen und sich für etwas Besseres halten. Gegenseitiger Respekt ist die Basis für erfolgreiche Teams.

 

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