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02. April 2015

Warum Chefs ihre Mitarbeiter duzen sollten

 

Manche Chefs beharren auf dem respektvollen „Sie“, andere überrumpeln ihre Mitarbeiter mit dem Angebot sie doch zu duzen. Viele Nachwuchschefs würden nach der Beförderung am liebsten wieder das „Sie“ einführen, weil sie glauben, dann besser führen zu können. Zum Thema „Du“ zwischen Chef und Mitarbeiter gibt es Mythen und viele fragwürdige Ratschläge. Und die Wahrheit darüber finden Sie an überraschender Stelle.

 

 Warum Chefs ihre Mitarbeiter duzen sollten

Chef du AaaManche Chefs beharren auf dem respektvollen „Sie“, andere überrumpeln ihre Mitarbeiter mit dem Angebot sie doch zu duzen. In fast jedem Führungstraining und fast jedem Führungscoaching kommt es zur Sprache: „Ich habe Schwierigkeiten, weil ich früher der Kollege war, und jetzt bin ich der Chef.“ Viele würden nach der Beförderung am liebsten wieder das „Sie“ einführen, weil sie glauben, dann besser führen zu können. Zum Thema Du zwischen Chef und Mitarbeiter gibt es Mythen und viele fragwürdige Ratschläge. Und die Wahrheit darüber finden Sie an überraschender Stelle.

Nämlich zum Beispiel bei einer ostasiatischen Fluglinie, die in den Jahren 1980-1996 als eine der absturzgefährdetsten Fluglinien der Welt galt. Gleich mehrere Flugzeugabstürze in diesem Zeitraum konnten darauf zurückgeführt werden, dass der Flugkapitän fragwürdige Flugmanöver durchführte (z.B. Sichtanflug bei Nebel) ohne dass ihm das Bordpersonal widersprach. Diese Fluglinie konnte Ihre Absturzquote erst aufbessern, als sie ihren Copiloten beibrachte, ihrem Flugkapitän, trotz seiner hierarchisch höheren Stellung, Hinweise auf Gefahren zu geben. Die durch die Kultur des Landes gepflegte „Machtdistanz“ war hier der häufigste Absturzgrund.

 

Ähnliches kennt man von anderen Situationen mit hoher Machtdistanz. In Krankenhäusern mit hoher Machtdistanz zwischen Chefarzt und Schwester gibt es höhere Erkrankungsquoten durch Krankenhauserreger. Nämlich weil die Schwester den Arzt nicht auffordern kann, sich gefälligst nach jedem Patienten die Hände zu desinfizieren. Zahlreiche Geschichten aus Dax-Unternehmen zeigen wie Milliarden verspielt werden, weil Vorstände (wie z.B. Jürgen Schrempp bei seinem Daimler-Chrysler-Desaster) mit hoher Machtdistanz keine Diskussionen über ihre Fehlentscheidungen zulassen.

Die Lehre aus Flugzeugabstürzen, Diktaturen und Unternehmenspleiten ist: Schlechte Führungskräfte bauen Machtdistanz aus und dulden keinen Widerspruch. Gute Führungskräfte reduzieren Machtdistanz, damit sie Widerspruch bekommen.

 

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Der häufige Widerspruch ist meist das erste, was frischgebackene Führungskräfte als Schwierigkeit empfinden, wenn sie frühere Kollegen führen müssen. Sie wissen das noch nicht zu schätzen, und haben andere Rollenerwartungen an ihre Position als Führungskraft. Dann spüren sie außerdem, dass Mitarbeiter Ihren Entscheidungen nicht folgen wollen, schon „erledigte“ Themen immer wieder andiskutieren oder schlichtweg nicht „gehorchen“ wollen und ihnen auf der Nase herumtanzen.

Die Schuld wird dann beim „Du“ gesucht. Doch dieser Erklärungsversuch ist m.E. zu leichtfertig. Denn eine genauere Analyse beweist meist: die schwierigen oder ungehorsamen Mitarbeiter sind auch bei anderen Chefs (die sie siezen müssen) genauso schwierig. Die Schwierigkeiten mit schwierigen Mitarbeiter liegen also oft gar nicht am Du oder Sie, sondern vielmehr daran, dass die schwierigen Mitarbeitern eben schwierig sind. Manchmal allerdings auch an ungeschickten Führungskräften, denen es nicht gelingt, sich Status und Respekt aufzubauen (Übrigens: Status und Respekt entstehen vielmehr im Inneren der Führungskraft als über die äußeren Bedingungen, doch dazu an anderer Stelle mehr).

Das hat aber m.E. aber gar nichts mit Du oder Sie zu tun. So kenne ich Banken in Frankfurt, in denen sich alle, bis in die Vorstandsebene hinein duzen. Trotzdem schaffen es viele Führungskräfte dort, sicher zu führen. Die amerikanischen Führungskräfte kommen ebenfalls komplett ohne ein Sie aus…sie haben ohnehin nur das „you“. Status und Respekt kommt von ganz anderer Stelle. Meiner Meinung nach gilt sogar: Ein Du zwischen Chef und Mitarbeiter ist hingegen eher ein erstrebenswerter Zustand. Das Du stützt gute Führung.

Eine provokante Frage stelle ich in fast jedem Führungstraining: „Müssen Führungskräfte eigentlich von Ihren Mitarbeitern gemocht werden?“ Und von 90% der Führungskräfte erhalte ich darauf ein überzeugtes „Nein“. Schließlich müssen Führungskräfte Entscheidungen durchsetzen, manchmal auch sehr unpopuläre. Und Führungskräfte müssen kritisieren und Leistung fordern. Da kann man doch nicht everybody´s Darling sein. Und dann beweise ich meinen Teilnehmern das Gegenteil. Denn gerade wegen dieser unpopulären Entscheidungen und wegen der notwendigen Kritik brauchen Chefs die Zuneigung Ihrer Mitarbeiter.

Stellen Sie sich die Beziehung zu anderen Menschen – also z.B. zu Ihrem Mitarbeiter – einmal wie ein Girokonto vor: also ein Beziehungskonto (Angelehnt an das Modell des genialen Steven R. Covey). Haben Sie eine gute Beziehung zu Ihrem Mitarbeiter - d.h. er mag Sie - dann haben Sie ein Guthaben. Kann Ihr Mitarbeiter Sie nicht leiden, dann ist Ihr Beziehungskonto im Soll!

Jetzt hat das Beziehungskonto aber so seine Tücken. So wie bei Ihrem Girokonto, gibt es auch auf dem Beziehungskonto Abbuchungen und Einzahlungen. Einzahlungen verbessern die Beziehung zum Gegenüber: Geschenke, Komplimente, aber auch dem Anderen zuhören, ihn verstehen, ihm vertrauen, usw. Abbuchungen verschlechtern eine Beziehung: Streit, Meckern, Kritik, Respektlosigkeit, Enttäuschungen, usw.

Wenn Sie sich diese Liste ansehen, dann fragen Sie sich jetzt einmal, wovon bekommt Ihre Beziehung zu Ihrem Mitarbeiter mehr ab? Tätigen Sie mehr Einzahlungen oder mehr Abbuchungen? Richtig: Führungskräfte tätigen unablässig Abbuchungen vom Beziehungskonto. Sie kritisieren, sie geben Anweisungen, oft entgegen den Vorstellungen des Mitarbeiters, sie hören selten gut zu (zu wenig Zeit). Und nicht zu unterschätzen: Führungskräfte enttäuschen ihre Mitarbeiter permanent. Denn Mitarbeiter haben regelmäßig extrem hohe, meist überzogene, unerfüllbare Erwartungen an ihre Führungskraft. Sie wollen wahrgenommen, geschätzt und verstanden werden. Und der Chef soll ihre Interessen nach oben vertreten. Doch statt Anerkennung und Erleichterung der Arbeit kommt Druck und Kritik. Da ist Enttäuschung oft unvermeidbar.

Nun gibt es ein paar wichtige Grundlagen und Folgen guter, motivierender Führung. Fragen Sie sich jetzt selbst, finden Sie diese eher bei positiven Beziehungen oder bei negativen? Vertrauen die Mitarbeiter Ihnen? Zeigen sie Commitment? Hören sie auf Ihre guten Ratschläge? Würden sie Ihnen einen Gefallen tun? Sich für Sie einsetzen? Hören sie Ihnen zu und verstehen sie Sie? Gibt es zwischen Ihnen gute zuverlässige Kommunikation? Bekommen Sie ehrliche Aussagen? Bekommen Sie aufrichtigen Widerspruch? Usw. usw. Ich könnte diese Liste kilometerlang fortsetzen. Tatsache ist: 100% aller Führungskräfte in meinem Führungstrainings geben zu, dass Sie all das nur bei positiven Beziehungen bekommen. Alle müssen zugeben: „Ja, als Führungskraft brauche ich eine gute Beziehung zu meinen Mitarbeitern.“ Nur scheint es vielen Führungskräften unmöglich, das zu gewährleisten.

Wenn das mit der guten Beziehung aber stimmt, dann müssten Führungskräfte sehr darauf bedacht sein, permanent, immer wieder, Einzahlungen auf das Beziehungskonto zu ihren Mitarbeitern vorzunehmen. Denn die Abbuchungen erfolgen automatisch und gnadenlos – so wie Ihre Miete auf Ihrem Girokonto. Ohne bewusste Einzahlungen muss das Beziehungskonto jedes Chefs fast zwangsläufig schnell in die Miesen sausen. Doch tatsächlich verhalten sich die meisten Chefs gemäß ihrem (soeben widerlegtem) Glaubenssatz vom Anfang. „Ich muss nicht gemocht werden“. Sie kritisieren, geben Befehle, aber zahlen nichts ein. Und Sie zahlen einen hohen Preis dafür: Mitarbeiter die anfangs noch hoch motiviert waren, sind schon nach wenigen Monaten desillosioniert und lustlos.

 

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Und genau das Gleiche passiert den jungen gerade aufgestiegenen Führungskräften. Als frischgebackene Teamleiter stehen Sie nun vor den ehemaligen Kollegen, mit denen Sie teilweise sogar eng befreundet waren. Was die neuen Teamleiter oft nicht wissen. Die Erwartungen ihrer ehemaligen Kollegen sind extrem hoch, gerade wegen der guten Beziehung. Noch ist das Konto im positiven Bereich! Doch dann kommen die unvermeidbaren Abbuchungen, die unpopulären Entscheidungen, die Forderungen, die Kritik und das Scheitern bei der Interessenvertretung nach oben. Die Enttäuschungen häufen sich, und rasend schnell saust das Beziehungskonto ins Soll. Die Freundschaft ist futsch.

Die unerfahrenen Führungskräfte schieben das nun leichtfertig darauf, dass es so schwer ist, ehemalige Kollegen, die man noch dazu duzt, zu führen. Tatsache ist aber, mit dem ursprünglich noch gut gefüllten Beziehungskonto, ist es eigentlich sogar noch viel einfacher zu führen. Je weniger Machtdistanz, desto besser. Was die jungen Führungskräfte aber noch nicht beherrschen, ist die Fähigkeit, Dissens und Debatten nicht nur zu ertragen, sondern sich sogar zu wünschen. Sie glauben noch, als Chef müsse man sich durchsetzen, und alle dazu bekommen, dass sie dem Chef Recht geben. Doch genau da ist der größte Fehler.

Jack Welch, gilt als einer der besten Manager der Welt, der über 20 Jahre den Weltkonzern GE extrem erfolgreich gemacht hat. Unter seinem Vorsitz gab es ein extrem streitbares Vorstandsgremium. Als man sich eines Tages aber bei einer bestimmten Entscheidung sofort einig war, vertagte er die Entscheidung und bat seine Manager, solange über diese Entscheidung nachzudenken, bis man endlich verschiedener Meinung darüber sei. Der Punkt an dieser extremen Handlungsweise ist seine Überzeugung: „Wenn zwei in einem Raum der gleichen Meinung sind, ist einer überflüssig.“ Mit anderen Worten, nur schlechte Manager wollen Rechthaber sein, gute Manager wollen diskutieren, um zu besseren Entscheidungen zu kommen. Aber ehrlich diskutieren kann man besser auf Augenhöhe, ohne Machtdistanz, dafür aber mit einer sehr positiven Beziehung, die eine Meinungsverschiedenheit problemlos aushält.

Die Frage mit dem „Du“ hat also viel damit zu tun, was die Führungskraft glaubt, wie ihre Rolle aussieht. Schlechte Führungskräfte glauben, Mitarbeiter hätten sie zu respektieren, eben weil sie in der Hierarchie höher stehen. Gute Führungskräfte wissen, Respekt bekommt man, wenn man ihn sich verdient hat, aber man kann ihn nicht erzwingen, auch nicht mit der „Sie“-Anrede. Schlechte Führungskräfte bauen ihre Machtdistanz aus, sie pochen auf Hierarchie und Titel, setzen sich durch und strafen ab (all das ist notwendig um ihr schwaches Selbstwertgefühl zu füttern). Gute Führungskräfte bauen Machtdistanz ab, sie diskutieren unterschiedliche Meinungen über Hierarchieebenen hinweg, sie geben Lob und Anerkennung und verdienen sich ihren Respekt über ihre „menschliche Größe“ und qualitativ hochwertige Entscheidungen. Schlechte Führungskräfte meinen, sie hätten sehr oft Recht und empfinden Widerspruch als Respektlosigkeit. Gute Führungskräfte wissen, dass Rechthaberei peinlich ist, und dass sie den Widerspruch für höherwertige Entscheidungen brauchen. Schlechte Führungskräfte meinen, Sie müssten allen beweisen, wie kompetent sie seien. Gute Führungskräfte wissen, dass sie nicht in jedem Job der beste Experte sein können. Dafür haben sie hochbezahlte Mitarbeiter. Und je höher eine Führungskraft in der Hierarchie kommt, desto weniger kann sie von all dem verstehen, was die Experten all ihrer Bereiche so alles tun. Deswegen schätzen Sie bereitwillig das Knowhow ihrer Experten höher ein, als das eigene, und geben dafür Wertschätzung und Anerkennung. Schlechte Führungskräfte nutzen das „Sie“ für eine höhere Distanz (die manche wiederum für ihr schwaches Selbstwertgefühl pflegen). Gute Führungskräfte reduzieren die Distanz (die ja schon automatisch aufgrund von Position und Titel entsteht), wo sie nur können.

Ich selbst erinnere mich an einen bestimmen Spruch, den ich noch von meinem Wehrdienst kenne: „Es sagt sich viel leichter „du A…sch“ als „Sie A...sch“. Doch nur, weil so ein Spruch seit Jahrzehnten von Menschen mit zweifelhafter Ausbildung (und zweifelhaftem Selbstwertgefühl) hundertfach wiederholt wird, wird er dadurch nicht wahrer. Richtiger ist doch wahrscheinlich, dass man dem Menschen den man duzt, das Schimpfwort leichter ins Gesicht sagt, während man es bei der vermeintlichen „Respektsperson“ eher hinter seinem Rücken gebraucht. Doch hier wird von der Führungskraft Respekt mit Machtdistanz verwechselt. Und dass der Mitarbeiter ein A-Wort denkt, kann ich selbst mit dem „Sie“ und großer Machtdistanz nicht unterbinden. So schütze ich allenfalls mein zu schwaches Selbstwertgefühl vor offen ausgesprochener Kritik. Aber mal ehrlich: ich möchte doch lieber offen wissen, was mein Mitarbeiter über mich denkt und warum. Ich möchte mit ihm lieber persönlich darüber reden, anstatt dass so etwas hinter meinem Rücken gesagt wird. Denn "darüber offen reden können", das verstehe ich unter menschlicher Größe. Dafür verdient ein Manager Respekt. Und ich glaube, auch so ein sehr persönliches Gespräch geht leichter über das „Du“.

 

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